Um 03:11 Uhr wurden die Frauen und Männer der Freiwilligen Feuerwehr Oberseelbach-Lenzhahn durch Melder und Sirene aus dem tiefen Schlaf gerissen. Gefahrgut Unfall im Schwimmbad Niedernhausen lautete das Einsatzstichwort.
Die Chlorgas-Warnanlage im Schwimmbad Niedernhausen hatte automatisch ausgelöst und einen Großeinsatz der Feuerwehr veranlasst.
Gefahrgut Einsatzkräfte und Fahrzeuge aus Niedernhausen, Idstein, Eltville und Taunuusstein sowie Polizei und Rettungsdienst machten sich auf den Weg zur Einsatzstelle.
Nachdem die ersten Kräfte aus Niedernhausen vor Ort waren, konnte nach Erkundung unter Atemschutz schnell Entwarnung gegeben werden. Es wurde eine Messung der Luft in der Wasseraufbereitungsanlage durchgeführt, welche keine erhöhten Werte erkennen lies.
Auch eine zweite spätere Messung ergab keinen Grund weitere Maßnahmen einzuleiten.
Um 04:00 Uhr rückten die Einheiten der Freiwilligen Feuerwehr Oberseelbach-Lenzhahn wieder in Ihre Stützpunkte ein und versuchten dann, den so abrupt unterbrochenen Schlaf wieder fortzusetzen.
Warum ein Großeinsatz?
Mit Chlorgas Unfällen ist indes nicht zu spaßen. Chlorgas wurde im 1. Weltkrieg als Giftgas eingesetzt. In direktem Kontakt ist dieses Atemgift tödlich. Es hat zudem eine stark ätzende Wirkung auf der Haut. Chlor wirkt als Gas vorwiegend auf die Atemwege. Bei der Inhalation reagiert es mit der Feuchtigkeit der Schleimhäute unter Bildung von hypochloriger Säure und Salzsäure. Dadurch kommt es zu einer starken Reizung der Schleimhäute, bei längerer Einwirkung auch zu Bluthusten und Atemnot, sowie Erstickungserscheinungen. Bei höheren Konzentrationen kommt es zur Bildung von Lungenödemen und starken Lungenschäden. Ein Gehalt von 0,5–1 % Chlor in der Atemluft wirkt tödlich durch Atemstillstand.
In Schwimmbädern dient Chlorgas zur Keimabtötung und wird bei der Wasseraufbereitung eingesetzt. Es wird dem Wasser in geringen Mengen zugesetzt und gewährleistet so einen hygienisch einwandfreien Zustand des Wassers für die Badegäste.
Bei Austritt von Chlorgas durch einen Unfall, beim Flaschenwechsel oder schadhaftes Material (Ventile, Verschlüsse), ist immer allergrößte Vorsicht geboten. Einerseits muß für die Bevölkerung jeglicher Schaden abgewendet werden, andererseits sind auch die Einsatzkräfte zu schützen. Die Aufgabe der Feuerwehr ist es hier, die Leckage zu finden, abzudichten und das weitere Ausströmen des Gases zu verhindern. Bereits ausgetretenes Gas muß in seiner Konzentration so verdünnt werden, dass hiervon kein weiterer Schaden ausgehen kann. Dies erreicht man durch Einsatz von Wasser mit Sprühstrahl und anschließender intensiver Belüftung der Räume.
Ohne Atemschutz darf niemand in die Nähe des Schadensortes gelangen. Zusätzlich sind bei Schadenslagen ABC Schutzanzüge zu tragen.
Eine Dekontamination der Einsatzkräfte und Einsatzgerät im Anschluß an den Einsatz ist zwingend notwendig, da Chlorgas wasserlöslich und somit mit Wasser an der Einsatzkleidung und Gerätschaften haftet und bei Berührung zu Verätzungen führen kann.
Solche Einsätze erfordern eine große Anzahl an Einsatzkräften und Material, weshalb bei Verdacht auf Chlorgasaustritten immer viele Wehren mit entsprechender Ausrüstung und Atemschutzgeräteträgern alarmiert werden müssen. Der Aufwand, für das bereitstellen der Wasserversorgung und Materialien, den Aufbau und Betrieb eines Dekontimationsbereiches sowie die Betreuung und Überwachung der Atemschutz- und GABC Träger ist imens, bei der jede helfende Hand gebraucht wird.
Die Freiwillige Feuerwehr Oberseelbach-Lenzhahn verfügt derzeit über fünf aktive Atemschutzgeräteträger (alle bei diesem Einsatz anwesend), die im Schadenfall im Umfeld des Schadenortes zur Unterstützung der GABC Träger eingesetzt werden können.
Artikel des Wiesbadener Kuriers zum Einsatz
Für interessierte gibt es bei YouTube einige Videos zum Thema.
Bericht über Chlorgasaustritt im Freizeitbad Olpe
[youtube EFQxk_okluA]
Lehrfilm Chlorgas Flaschenaustausch der Berufsgenossenschaft
[youtube 1-R_dH6pkHI]